heute möchte ich Euch eine kurze Leseprobe der Gesamtausgabe von Saphirrot dalassen. Sie enthält die ersten zwei Kapitel. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!
Die schwebende Stadt
»Großer
Gott, Meister Lembrix, an welchen Ort habt Ihr mich geschickt?«
Niedergeschlagen
und in Gedanken versunken saß Dasgo auf dem staubigen Boden seiner Kammer, die
man ihm zugewiesen hatte. Die aufgehende Sonne schickte ihre goldenen Strahlen
durch das hochliegende, kleine Fenster, sodass man den Staub in der Luft
fliegen sehen konnte. Ein schartiges Schwert, dessen Klinge bereits von
rostigen Flecken besetzt war, lag vor ihm auf dem Boden.
Wenn Dasgo an das
dachte, was gleich kommen würde, verzog es ihm schmerzhaft das Gesicht. Das
Schwert, das hier vor ihm lag, würde ihm kaum behilflich sein!
Nervös stand
Dasgo auf und lief in der Kammer auf und ab. Sie war sehr klein und spärlich
eingerichtet. Gerademal ein Haufen Stroh in der Ecke diente ihm als Schlafplatz
und ein Eimer, in dem er seine Notdurft verrichten konnte, sonst hatte diese
Kammer nichts zu bieten.
Dasgo war ein
Gefangener!
Er setzte sich
auf das Stroh, das nach Schmutz und Schweiß roch, vergrub sein Gesicht in den
Händen und wartete auf das Unvermeidliche.
Minath, das war
die Stadt, in der er sich seit ein paar Wochen aufhielt.
Minath war eine
große Stadt. Die Stadt der Drachenreiter!
Plötzlich musste
Dasgo lachen, da er daran dachte, dass er von seinem Meister hierher geschickt
worden, um seine Erfahrungen als Drachenreiter zu erweitern.
Dasgo war noch
recht jung. Er hatte die zwanzig gerade erst überschritten, doch schon, seit er
ein kleiner Junge war, faszinierten ihn Drachen und deren Reiter. Seinen Traum,
Drachenreiter zu werden, hatte er sich vor ungefähr einem Jahr erfüllt, als er
in der Nähe seines Heimatortes Kalant einem jungen Drachen das Leben gerettet
hatte. Kalant war eine Stadt westlich des großen Perlenmeeres, das die gesamte
Westseite des Kontinents Aratras beherrschte. Auf dem Wasser hatte Dasgo einen
kleinen, weißen Drachen schwimmen sehen und ihn vor dem Ertrinken gerettet.
Bei diesem
Gedanken musste Dasgo lächeln.
Er hatte
schließlich seinem Lehrmeister Lembrix davon erzählt. Von ihm hatte er viel
über Reiter und Drachen erfahren. Er hatte Dasgo die letzten Jahre
weiterunterrichtet und sein Drache, den er auf den Namen Dragonit getauft
hatte, war ebenfalls gewachsen und reifer geworden. Schließlich hatte sein
Lehrmeister ihn nach Minath geschickt, um wirklich unter Drachenreitern zu
leben und mehr Fortschritte machen zu können.
Die Stadt Minath
war weit von seinem Heimatort Kalant entfernt. Es lag ganz im Osten Aratras und
nicht einmal direkt auf dem Kontinent, sondern noch etwas weiter östlich.
Jeder, der Minath auch nur aus der Ferne sah und noch nichts vorher von ihr
gehört haben sollte, würde seinen Augen nicht trauen. Minath war eine
schwebende Stadt, getragen von einer dichten Wolkendecke, die sich in der Nähe
der Stadt niemals verzog. Das Faszinierende dabei war, dass es trotzdem immer
sonnig war. Minath war nur mithilfe eines Drachen zu erreichen. Einen Pfad oder
eine Brücke gab es nicht.
Ein Schmunzeln
schlich sich auf Dasgos Gesicht, als ihm sein eigener Gedankenfehler auffiel,
denn aus der Ferne war Minath nur sehr undeutlich zu erkennen. Dafür lag sie
einfach zu hoch am Himmel.
Dasgo erinnerte
sich noch gut daran, wie er nach Minath gekommen war.
Die Reise war
sowohl für ihn als auch für Dragonit sehr anstrengend gewesen. Schon vorher
waren sie viel geflogen, allerdings hatten sie sich dabei immer in der Nähe von
Kalant aufgehalten. Sie hatten fast zwei Tage gebraucht und der Aufstieg war
nicht leicht gewesen, da Dragonit, um Minath anzusteuern, sehr hoch fliegen
musste. Immer wieder fand es Dasgo faszinierend, wie stark und groß Dragonit
bereits war, trotz seines jungen Alters.
Dasgo stand
wieder auf und trat dabei dem Eimer um, sodass sich der Inhalt langsam auf dem
schmutzigen Boden verteilte.
Kaum waren sie
hier angekommen, war sein Drache von den Minath-Drachen verstoßen worden. Er
war zu schwach gewesen, so hatte man ihm später erklärt.
Dragonit hatte
sich zwei der Minath-Drachen stellen müssen. Er war unterlegen gewesen und man
hatte ihn weggesperrt! Wohin wusste er nicht.
»Und jetzt soll
ich dasselbe durchmachen?«, rief er seine Frage laut in den Raum. Natürlich
bekam er keine Antwort, denn er war alleine in seiner Kammer. Sein Blick
wanderte zu dem Schwert, das noch immer unverändert am Boden lag. Warum war er
es nicht würdig ein Drachenreiter zu sein? Dragonit war kein schwacher Drache.
Er war sein bester Freund!
Die Einwohner von
Minath, und das waren nicht gerade wenige, wussten nicht einmal, was einen
wirklichen Drachenreiter ausmachte! Es kam nicht nur alleine auf Stärke und
Härte an. Die Drachen in Minath wurden zum Töten gezüchtet. Sie kannten kein
Gefühl und eine Verbundenheit zu ihren Reitern erst recht nicht!
Dasgo schüttelte
den Kopf. Er war sich nicht einmal sicher, ob Dragonit überhaupt noch lebte.
Bei diesem Gedanken zog es ihm schmerzhaft den Bauch zusammen. Dutzende Male
hatte er bereits darüber nachgedacht, wie er seinen Drachen befreien könnte.
Doch dies erwies sich als praktisch unmöglich. Minath war durchzogen von einem
Verlies, das aus der Ferne von den schweren Wolken verborgen gehalten wurde,
und wurde von Drachen bewacht. Es war unmöglich, ungesehen dort rein zu kommen.
Minath war eine
Stadt von hohem Rang. Jeder Neuankömmling musste eine Prüfung bestehen. Eben
diese, in einem Drachenkampf zu bestehen. Gewann er, wurde er zusammen mit
seinem Reiter aufgenommen; verlor er, wurden Drache und Reiter getrennt
weggesperrt. Und das für unbestimmte Zeit!
So wie Dasgo und
Dragonit!
Dasgo wusste,
dass er nur auf die Folter wartete. Eine Folter, die mit dem Tod enden würde.
Kaum hatte er
diesen Gedanken zu Ende gedacht, öffnete sich eine schwere Gittertür und ein
muskulöser Mann mit einem großen Messer am Gürtel betrat Dasgos Kammer.
»Mitkommen!«,
befahl er knapp und im übellaunigen Ton.
Widerwillig
setzte sich Dasgo in Bewegung, hob allerdings noch das Schwert vom Boden auf.
»In wenigen
Minuten beginnt dein Kampf«, sagte der Wächter und stieß ihn hart in den
Rücken, als er an ihm vorbeigegangen war, sodass er beinahe zu Boden ging.
Dasgo keuchte
schwer, stolperte ein, zwei Schritte und konnte sich gerade noch an der
betonierten Wand festhalten aber er blieb stehen.
Der Wächter
lachte abfällig. »Wenn du jetzt schon den Boden küsst, wird der Drache in der
Arena keinen Spaß mit dir haben.«
Dasgo verkniff
sich jeglichen Kommentar und lief wortlos weiter. Im Gehen wog er seine Waffe
in der Hand. Nicht dass er dies nicht schon in seiner Kammer oft genug getan
hätte, doch es beruhigte ihn etwas.
Der ehemalige
Drachenreiter wurde durch einen dunklen Korridor geführt. Links und rechts
gewahrte er immer wieder neue Kammern, in denen erschöpfte, schwache Menschen
saßen.
Dasgo musste bei
dem Anblick nur den Kopf schütteln. Wie konnte man Menschen nur so behandeln?
»Was ist los,
drachenloser Drachenreiter? Zu müde, um weiter zu gehen?«
Dasgo hatte gar
nicht bemerkt, wie er vor einer Kammer stehengeblieben war. Zur Antwort bekam
er noch einen derben Schlag in den Rücken dazu.
Erneut stolperte
Dasgo vorwärts. Dieses Mal tat er dem Wächter nicht den Gefallen, um sein
Gleichgewicht zu kämpfen, sondern landete auf dem Boden. Was für seinen
Begleiter nach Schwäche aussah, war Dasgos volle Absicht!
Kaum schlug Dasgo
zu Boden, rollte er über die Schulter ab und riss in derselben Bewegung die
Beine in die Höhe. Alles ging so schnell, dass der Wächter einfach in sein
hochgestelltes Bein hineinlief und sich gleich darauf krümmte.
»Was sollte
das?«, fragte dieser abfällig und suchte mit seinem Augen gehetzt nach Dasgo.
Dieser war bereits wieder auf den Füßen und ohne auf seine Frage zu antworten,
schlug er ihm mit dem Schwertknauf vor die Schläfe, sodass sein starker Wächter
einfach zur Seite kippte.
Dasgo schenkte
ihm noch einen abfälligen Blick, dann setzte er seinen Weg zur Arena fort.
Er war vielleicht
drachenlos aber auf keinen Fall wehrlos oder schwach.
Drachenarena
Der Weg zur Arena
war nicht mehr weit. Der Korridor, durch den ihn der Wächter geführt hatte, war
schnell zu Ende. Dasgo lief eine ausgetretene, schmale Treppe hoch und kam
somit an die Oberfläche.
Auch wenn Minath
einen bitteren Geschmack in seinem Mund hinterließ, wenn er nur an den Namen
dachte, war es eine schöne Stadt, mit prachtvollen und mächtigen Türmen. Ganz
oben an der Spitze eines jeden Turmes befand sich eine große Fläche. Sie diente
den Drachen als Landeziel oder als Ruheort.
Dasgo ließ den
Blick kreisen. Der Himmel, der an diesem Tag strahlendblau war, war bespickt
mit dunklen Schatten, die sich schließlich als fliegende Drachen
herausstellten, die die Stadt anvisierten. Er sah nach vorne, fasste sein Schwert
fester und lief los.
Minath hatte
natürlich nicht nur Türme, sondern auch Häuser, in denen ebenfalls
Drachenreiter lebten. Die Häuser befanden sich eher im Innern der Stadt und
waren umkreist von den Türmen. Ein unbemerktes Eindringen war somit gar nicht
möglich. Schon alleine deshalb, weil es sofort auffiel, wenn jemand sich mit
einem Drachen der Stadt näherte.
Die Luft war
geschwängert von einem anhaltenden, mal lauteren und leiseren Gekreische und
Gebrüll der heranfliegenden Drachen. Dasgo hatte schon daran gedacht, jetzt da
er ohne Wächter unterwegs war, einfach zu fliehen, doch wo hätte er schon ohne
seinen Drachen hingekonnt? Die Stadt Minath schwebte Meilen über dem großen
Kristallmeer. Ein Sprung aus der Höhe wäre selbst für einen Meisterschwimmer
tödlich. Außerdem wies das Kristallmeer tobende Wellen auf, die mit Gewalt
gegen Felsen krachten. Dort zu schwimmen war beinahe ein Ding der
Unmöglichkeit! Das Kristallmeer befand sich auf der Ostseite Aratras. Während
das Kristallmeer sehr wild war, war das Perlenmeer sehr ruhig. Nur sanfte
Wellen wurden somit an Land gespült.
Nein, dachte
Dasgo, wenn er Minath wieder verlassen wollte, musste er Dragonit befreien und
fortfliegen. Auch wenn die Drachenreiter etwas ganz anderes mit ihm vorhatten.
Bei dem Gedanken
verzog sich sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse und seine Handfläche
schloss sich automatisch kraftvoll um den ledernen Schwertgriff. So wie es
Brauch in Minath war, musste er nun einen Drachenkampf bestehen! Wenn er
gewann, war er frei und wurde mit etwas Glück sogar ausgebildet. Doch der Kampf
war so gestrickt, dass er nicht gewinnen konnte, dies wusste Dasgo. Er glaubte
nicht mehr daran, dass er hier eine Zukunft hatte. Die Reiter wollten nur noch
seinen Tod. Seinen Tod dafür, dass er in ihren Augen zu schwach war.
Dasgo lief
schneller, um die Arena zu erreichen und in der Hoffnung somit die schlechten,
quälenden Gedanken loszuwerden. Er musste sich dem Kampf stellen. Schließlich
hatte er gar keine andere Wahl. Fliehen konnte er nicht, und wenn er sich
irgendwo versteckt hielt, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis man ihn finden
würde, und dann war er so wie so tot. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das
Beste zu hoffen.
Schließlich war
die gepflasterte Straße zu Ende und die Häuser wichen an den Seiten zurück und
machten einer riesigen, runden Arena Platz. Sie sah aus wie ein gigantischer
Berg in Form eines finsteren, stachelbesetzten Drachenkopfes. In den Augen
loderte ein stummes Feuer und sie blickten drohend auf Dasgo herab. Das Maul, das
den Eingang darstellte, war weit geöffnet. Unmittelbar neben der Arena stand
eine riesige Statue. Sie zeigte einen Mann mit gezogenem Schwert, finsterem
Gesicht und langen Haaren. Dasgo blickte stolz in das harte Gesicht der Statue.
Das war Tropas, der größte Drachenreiter, der je auf Aratras gelebt hatte.
Nachdem Dasgo
eingetreten war, lief er durch einen dunklen Gang. Durch das Sonnenlicht, das
von draußen noch ins Innere drang, erkannte der ehemalige Drachenreiter, dass
er auf einer steinernen Zunge lief.
Der Gang war lang
und bald fand er sich in vollkommener Dunkelheit wieder. Mit nervösen
Bewegungen sah er immer wieder zurück und er fragte sich, ob es nicht doch
besser war umzukehren.
Dasgo schüttelte
entschieden den Kopf. Das war unmöglich. Er musste sich der Herausforderung
stellen. Wenn er es nicht tat, würde er sich das selber nie verzeihen. Außerdem
war Dasgo ein Kämpfer und er verstand selber nicht, weshalb dieser Kampf ihn so
aus der Fassung brachte.
Weil es dein letzter Kampf sein wird, hörte er seine
eigenen höhnischen Gedanken. Weil du noch
niemals in einem offenen Kampf einem Drachen gegenübergestanden bist!
Der Gang, der den
Rachen eines Drachen darstellte, war beinahe zu Ende und Dasgo erkannte schon
einen Teil der großen Arena. Von weit oben drang weißliches Sonnenlicht,
wahrscheinlich durch die Augen des Stein-Drachen. Trotzdem war es mehr ein
Dämmerzustand als wirklich hell.
Schließlich hatte
Dasgo das Ende des Ganges erreicht. Die Arena war gigantisch. Sie war kreisrund
und der Platz war besetzt mit spitzen Felsen. Sie hatte beinahe die
Eigenschaften eines kleinen Gebirges.
Mit klopfendem
Herzen sah Dasgo sich um. Viele Einwohner Minaths saßen auf den Rängen, um sich
an dem Spektakel zu erfreuen. Sie riefen und klatschten ihm entgegen, doch
Dasgo freute sich nicht. Die Menschen waren gekommen, um ihn sterben zu sehen!
Sein Drache hatte bereits verloren!
Und jetzt war er
an der Reihe!
Fast schon, wie
um sich das Gegenteil zu beweisen, biss er sich auf die Unterlippe, spreizte
seine Beine, um einen festen Stand zu haben und fasste sein Schwert fester. Er
würde kämpfen und er würde es seinem Gegner nicht zu leicht machen. Auch wenn
dieser ein Drache war.
Plötzlich fing
der Boden an zu beben und ein lautes Krachen und Poltern war zu hören. Wie aus
einem bösen Traum beobachtete Dasgo, wie hinter einem breiten Felsen etwas
Großes, Massiges emporwuchs. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er
feststellte, dass ihm tatsächlich ein Drache gegenüberstand. Er war schneeweiß,
hatte einen finsteren Blick mit dunklen Augen und einen muskulösen Körper.
Seine Vorderläufe waren kraftvoll und die weißen, ledrigen Flügel eng an den
Körper angelegt. Der Drache machte einen Schritt auf Dasgo zu und trat dabei
einfach einen Teil des Felsens kaputt, hinter dem er sich gerade erst versteckt
hatte. Gleichzeitig stieß er ein ohrenbetäubendes, beinahe schon qualvolles
Kreischen aus. Dasgo kannte diesen Drachen!
Es war Dragonit,
sein eigener Dache!